Blutgruppendiät




Im Jahr 1996 veröffentlichte der amerikanische Naturheilpraktiker Peter J. D’Adamo das Modell seiner Blutgruppendiät. Bei seiner Theorie geht es nicht in erster Linie ums Abnehmen, sondern um ein Konzept für eine dauerhafte gesunde Ernährung in Abhängigkeit von der Blutgruppe des jeweiligen Menschen. Je nach Blutgruppe werden bestimmte Nahrungsmittel als gesundheitlich günstig und andere als schädlich betrachtet. Mit der Nichtbeachtung dieser Ernährungsregeln erklärt er die Entstehung verschiedener Krankheiten von Magengeschwüren über Diabetes bis hin zu Krebs und verspricht Besserung oder gar Genesung durch eine entsprechende Ernährungsumstellung. In den USA gewann D’Adamo schnell eine große Anhängerschaft für sein Ernährungsmodell. Erheblich zu seinem Erfolg beigetragen haben dürfte die Tatsache, dass er seine Theorie für den Laien einleuchtend darlegte, dabei aber gleichzeitig den Anschein einer wissenschaftlichen Fundierung wahrte.

Bereits im Jahr 1997 gelangten erste Übersetzungen dieses Konzepts nach Deutschland. Einen richtigen Boom erlebte die Blutgruppendiät hierzulande aber erst durch mehrere Buchveröffentlichungen ab dem Jahr 2000, in denen zunehmend die Möglichkeit betont wurde, durch diese Art der Ernährung das persönliche Idealgewicht zu erreichen.

Das Konzept der Blutgruppendiät

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannten die Mediziner, dass sich die roten Blutkörperchen im menschlichen Blut durch bestimmte Proteine an ihrer Oberfläche unterscheiden, welche als Antigene fungieren. Gegen alle fremden, den eigenen roten Blutkörperchen fehlenden Antigene bildet der Körper Antikörper, die sich an die Antigene binden, wodurch das Blut verklumpt. An diesem Vorgang scheiterten vor der Entdeckung der Blutgruppen Bluttransfusionen.

Das wichtigste Blutgruppensystem ist das AB0-System, in dem nach dem Vorhandensein der beiden Antigen-Typen A und B auf den roten Blutkörperchen unterschieden wird, welche entweder beide fehlen (Blutgruppe 0) oder einzeln (Blutgruppen A oder B) oder gemeinsam (Blutgruppe AB) vorhanden sein können.

Bestimmte Proteine, die in beinahe jedem Nahrungsmittel vorkommen, die sogenannten Lektine, sollen nun ins Blut gelangen und dort auf ähnliche Weise an die Antigene des Blutgruppensystems andocken und dadurch ebenfalls zu einer Verklumpung des Blutes führen. Die Vermeidung der schädlichen Lektine gemäß der Blutgruppendiät könne dies zuverlässig verhindern, was gleichzeitig vorbeugend gegen die Entstehung einer Vielzahl von Krankheiten wirken soll.

Die Blutgruppen und ihre jeweiligen Ernährungsempfehlungen

Die Empfehlungen für eine gesunde Ernährung richten sich bei der Blutgruppendiät nach den Blutgruppen 0, A, B und AB.

Blutgruppe 0:

Laut D’Adamo hatten die steinzeitlichen Jäger und Sammler vor 40.000 Jahren die Blutgruppe 0. Dementsprechend kommen auch heutige Menschen mit dieser Blutgruppe problemlos mit Fleisch als wesentlicher Nahrungsgrundlage zurecht. Empfohlen wird außerdem Fisch, Gemüse (mit Ausnahme von Hülsenfrüchten und Kartoffeln) sowie Obst, während Milch und Weizen gemieden werden solle. Da sich die frühen Menschen auf der Jagd zwangsläufig viel bewegen mussten, empfiehlt er dieser Gruppe ausdrücklich die intensive Ausübung anstrengender Sportarten.

Blutgruppe A:

Als nächstes entstand laut D’Adamo vor etwa 15.000 bis 20.000 Jahren die Blutgruppe A, als die ersten Menschen sesshaft wurden und begannen, Ackerbau zu betreiben, was zu einer wesentlichen Veränderung der Ernährungsgewohnheiten führte. Vegetarische Kost sei daher für Menschen mit Blutgruppe A auch heute noch besonders empfehlenswert, Fleisch sollten sie dagegen meiden und Fisch nur in geringen Mengen zu sich nehmen. Während die meisten Hülsenfrüchte für diese Gruppe problemlos zu genießen seien, sollten sie auf Milch und die meisten Milchprodukte verzichten.

Blutgruppe B:

Blutgruppe B soll gemäß D’Adamo vor etwa 10.000 bis 15.000 Jahren unter den Viehhirten in der Himalayaregion entstanden sein. Entsprechend der gemischten Ernährungsweise dieser Vorbilder sollen Menschen mit dieser Blutgruppe auch heute noch besonders viele unterschiedliche Lebensmittel gut vertragen. Insbesondere sind sie die einzigen, denen er auch den Verzehr von Milch und Milchprodukten ausdrücklich anrät. Fleisch (mit Ausnahme von Geflügel), Gemüse (mit Ausnahme der meisten Hülsenfrüchte) und Obst gehören für sie ebenfalls zu den empfohlenen Lebensmitteln, während alles Getreide (nicht nur Weizen) ihnen schaden soll.

Blutgruppe AB:

Die Entstehung der Blutgruppe AB datiert D’Adamo erst auf die Zeit vor etwa 1000 Jahren, als es zur Vermischung zwischen mongolischen Viehhirten und Ackerbaukulturen kam, unter deren Nachkommenschaft die Antigene der beiden ursprünglichen Blutgruppen A und B auch in Kombination vorkommen konnten. Diesem Typus empfiehlt er eine überwiegende Ernährung mit viel Obst und Gemüse, aber auch in Maßen Fleisch. Bei den Hülsenfrüchten kommen förderliche und schädliche Arten gleichermaßen vor. Von Milch, Milchprodukten und Weizen rät er dieser Gruppe ebenfalls ab.

Die Blutgruppendiät in der wissenschaftlichen Kritik

Ernährungswissenschaftler kritisieren an der Blutgruppendiät vor allem, dass sie je nach Blutgruppe auf unterschiedliche Weise einseitig ist. So enthalten beispielsweise die empfohlenen Nahrungsmittel für die Blutgruppe 0 zu wenige Ballaststoffe und Kohlenhydrate. Spezifische Nahrungsergänzungsmittel für jede der Blutgruppen zum Ausgleich der einseitigen Ernährung, die Peter J. D’Adamo seinen Anhängern zu stattlichen Preisen anbietet, erhöhen seine Glaubwürdigkeit dabei auch nicht unbedingt.

Vieles von dem, was D’Adamo in seinen Publikationen als wissenschaftliche Fakten darstellt, entbehrt bis heute echter Beweise. Besonders kritisch sehen dabei Mediziner die häufig angeführten „Erfolgsstorys“ von Patienten mit unterschiedlichen Krankheiten, die ihre Ernährung gemäß der Blutgruppendiät umgestellt haben und dadurch eine Heilung oder wesentliche Besserung erzielt haben sollen. Diese Erfolge konnten durch unabhängige Dritte bislang nicht bestätigt werden, entsprechende wissenschaftliche Studien liegen ebenfalls nicht vor.

Die wissenschaftliche Kritik geht jedoch noch wesentlich tiefer. So gibt es bislang keine schlüssigen Erkenntnisse darüber, wo und wann sich die einzelnen Blutgruppen entwickelt haben. Knochenfunde früher Menschen erlauben nur in seltenen Einzelfällen die Bestimmung der Blutgruppe, so dass daraus keinerlei allgemeingültige Aussagen abgeleitet werden können. Die Ansicht, dass Blutgruppe 0 die ursprüngliche Blutgruppe ist, mag dem Laien zwar unmittelbar einleuchtend erscheinen, der aktuelle Stand der Wissenschaft deutet jedoch eher darauf hin, dass die frühen Jäger und Sammler der Blutgruppe A angehörten. Auch Beobachtungen im Tierreich lassen darauf schließen, dass die Blutgruppe 0 sich erst spät entwickelt haben könnte. So gibt es beispielsweise bei Katzen die Blutgruppen A und B, in seltenen Fällen auch AB, während Blutgruppe 0 nicht vorkommt.

Ebenso wenig scheint die Aussage, dass Lektine aus der Nahrung das Blut verklumpen könnten, wissenschaftlich haltbar zu sein. Nur für wenige Lektine aus Nahrungsmitteln konnte bislang überhaupt ein Übergang ins Blut nachgewiesen werden. Dazu gehören beispielsweise Lektine aus Tomaten, Erdnüssen und Weizenkeimen, doch die Menge, welche ins Blut gelangt, ist minimal. Die meisten Lektine werden zudem bei Erhitzung inaktiviert, darunter auch das Bohnenlektin, welches in rohem Zustand tatsächlich gefährlich ist.

Würden Lektine das Blut im menschlichen Körper verklumpen, wäre das ein gravierender Vorgang, der ab einem bestimmten Punkt unweigerlich zum Tod führen müsste (in gleicher Weise wie das bei einer Bluttransfusion mit einer unkompatiblen Blutkonserve geschieht). Selbst eine geringfügige Verklumpung, die nicht zum Tod führt, müsste jedoch pathologisch nachweisbar sein. Auch die körperlichen Schädigungen dieses Vorgangs, die D’Adamo als Auslöser vieler Krankheiten anführt, müssten in Gewebeproben erkennbar sein. Solche Spuren einer angeblichen Verklumpung durch Lektine wurden jedoch bis heute nirgendwo beschrieben.

Zwar kann bewiesen werden, dass im Reagenzglas einige Lektine aus Nahrungsmitteln tatsächlich das Blut bestimmter Blutgruppen verklumpen, viele andere dagegen, welche D’Adamo Menschen einiger Blutgruppen zum Verzehr empfiehlt, anderen jedoch verbietet, verklumpen das Blut im Reagenzglas unabhängig von der Blutgruppe (darunter die von Tomaten). Die Zuordnung vieler Nahrungsmittel zu den förderlichen oder schädlichen Lebensmitteln der jeweiligen Blutgruppen scheint in diesem Zusammenhang nach Ansicht einiger Fachleute auf schlichte Verwechslungen oder Missverständnisse zurückzuführen zu sein.

Im menschlichen Körper werden sogar selbst Lektine gebildet, von denen im Reagenzglas einige mit allen, andere mit bestimmten Antigenen der roten Blutkörperchen verklumpen. Dennoch scheinen diese körpereigenen Lektine keinerlei schädlichen Auswirkungen auf den Menschen zu haben.

Der Nutzen der Blutgruppendiät

Bei aller Kritik, oftmals sogar Häme, mit der die Blutgruppendiät von Seiten der Medizin aufgrund der nachweislichen Fehlinterpretationen und bedacht wird der mangelnden Beweise für die theoretischen Grundlagen, betonen einige aufgeschlossene Ernährungswissenschaftler auch positive Seiten.

So fördert die Beschäftigung mit der Blutgruppendiät, anders als bspw. Diätpillen, ein geschärftes Bewusstsein für Ernährungsfragen. Häufig werden dadurch individuelle Lebensmittelunverträglichkeiten erkannt, selbst wenn sie nicht mit denen übereinstimmen, welche gemäß der Blutgruppendiät auftreten müssten.

Die Blutgruppendiät verbietet den meisten Menschen den Verzehr von Weizen und Milch. Diese Lebensmittel lösen tatsächlich besonders oft Unverträglichkeiten aus (auch wenn diese nicht auf einer Verklumpung des Bluts beruhen), was erklären könnte, warum sich viele Anhänger der Diät damit besser fühlen. Weitere Infos zu Blitzdiäten.